„Hin und Her“ – Abgeschoben zwischen zwei Grenzen
28. August 2016 | Von Hermine Touschek | Kategorie: RezensionenRezension von ………………………….. Hermine Touschek
Die Bühne Ottensheim hat sich heuer einen eher ungewöhnlichen Schauplatz für ihr diesjähriges Theaterpojekt ausgesucht: die ehemalige Straßenmeisterei in Ottensheim, wo derzeit Flüchtlinge untergebracht sind. Hier hatte „Hin und Her“ von Ödön Horváth unter der Regie von Peter Habringer am 25. August Premiere.
Der Autor selbst bezeichnet sein Stück als „Posse in zwei Teilen“ und beschreibt darin die Geschichte von Ferdinand Havlicek, einem „amtlichen Fall“, einem Niemand: aus dem einen Land wurde er ausgewiesen, in das andere, das seine Heimat ist, darf er nicht hinein, weil seine Staatsbürgerschaft abgelaufen ist. Nun pendelt er auf der Brücke, die beide Länder verbindet, hin und her. An beiden Enden sitzen pflichtbewusste Grenzorgane. Ehe er sich versieht, ist er in seiner heimatlosen Existenz tief verstrickt in politische Machenschaften, illegale Schmugglergeschäfte und heimliche Liebesgeschichten.
Als Ödön von Horváth 1934 das Stück „Hin und Her“ schrieb, war Europa gerade im Begriff sich in eine Todeszone zu verwandeln und Millionen Menschen hatten nur ein Ziel: Über Landesgrenzen zu gelangen. Die Komödie ist ein autobiografisches Werk. Horváth wurde in Ungarn geboren, lebte in Deutschland und floh 1933 vor dem NS-Regime, sodass auch er in der Heimat seine Staatsangehörigkeit erneuern musste. Die Uraufführung fand 1934 in Zürich statt. In Deutschland wurde „Hin und Her“ erstmals 1965 aufgeführt.
Auf der einen Seite versieht der Grenzbeamte Szamek (Franz Lehner), seinen Dienst. Er klammert sich rigoros an die Gesetze, wenn er schon sein Privatleben – mit zu viel Alkohol und als Witwer mit Tochter – nicht auf die Reihe kriegt. Franz Lehner spielt glaubhaft eine der typischen Horváth-Figuren: schlicht gestrickt und egoistisch, beruft er sich in seiner Herzlosigkeit brav auf seine Funktion – entlarvt sich aber durch sein Gerede. Das Töchterlein (Nadine Reitermayr) liebt ausgerechnet den Grenzbeamten Konstantin (Herwig Kolar) des Nachbarstaates, die direkte Konkurrenz also. Nadine Reitermayr wechselt gekonnt zwischen selbstbewußtem Aufbegehren und resignierendem Unterwerfen. Leztendlich sucht sie ihre Probleme mit dem Vater aus der Welt zu schaffen, indem sie sich von der Abhängigkeit von ihm in die Abhängigkeit von einem Ehemann begeben will.
Konstantin ist freundlich, aber stets korrekt: „Für Sie bin ich nur das Grenzorgan und kein Mensch!“ Frau Hanusch (Edith Kaiser), steht kurz vor dem Konkurs, und biedert sich sehr sympathisch dem ausgestoßenen Havlicek an, denn „in Mann ist schon etwas Notwendiges, wenn er auch nur repräsentiert.“
Mrschitzja (Rudi Graf), ist ein pflichtbewusster Gendarm. Das Zusammenspiel von Lehner und Graf funktioniert wunderbar, und besonders die komisch und zugleich trostlose Saufszene bleibt in Erinnerung.
Ferdinand Havlicek (Werner Elsnig) ist verloren zwischen den Grenzen und zwischen dem, was um ihn herum passiert. Havlicek sieht sich ungläubig und hilflos in den Fängen der Bürokratie verfangen. Werner Elsnig gelingt es, die Gratwanderung zwischen Tragödie und Komödie gut nuanciert umzusetzen.
Besonders erwähnt sei auch noch Benedikt Habringer, der als Kind die Rolle des Sekretärs spielt. Die Zuschauer sehen aber kein Kind, sondern einen überzeugend gespielten, selbstbewussten Erwachsenen.
Peter Habringer integriert in seiner Inszenierung von „Hin und Her“ aktuelle und lokale Bezüge. Die Geschichte des Heimatlosen Havlicek lässt sich nahezu eins zu eins in die Gegenwart übertragen. Die aktuelle Situation der Flüchtlingsströme in Europa beschert diesem Stück traurige Aktualität. Das Grundthema ist der Umgang mit Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und nun auf den Schutz und die Gastfreundschaft anderer angewiesen sind. Es ist für viele schwer, sich in diese Menschen hineinzuversetzen. Als Reaktion zeigen sich Angst, Abwehr und sogar Hass gegenüber denen, die – zumeist ohne eigenes Zutun – in eine unerträgliche Situation geraten sind. Asylwerber, die vor Ort hier in Ottensheim in Containern leben, werden auch in dem Stück sichtbar, und ihr Schicksal erinnert uns frappant an das des Protagonisten Havlicek.
Und indem wir im Sinne Horváths auf die entlarvten Seelen blicken, darf auch trotz aktueller Nähe gelacht werden. Bestenfalls über uns und unsere Engstirnigkeit und auch kriminellen Machenschaften, die wir in den Figuren wiederfinden können.
„Hin und Her“ ist eines der weniger bekannten Stücke von Horváth. Es ist leicht und lustig – trotz des ernsten Hintergrunds. Der Ottensheimer Inszenierung gelingt es, trotz slapstick-artigen Einwürfen, absurden, witzigen Ideen und pointierten Dialogen, auch die dunklen, melancholischen Töne zu transportieren. Jeder Zuschauer ist eingeladen, damit sein eigenes moralisches Empfinden zu entwickeln.
Für eine stimmige musikalische Umrahmung des Stücks sorgen Peter Habringer an der Gitarre und Rudolf Liedl am Akkordeon. Überaus witzig und gelungen auch der Schmuggler-Rap von Benedikt Habringer, Raphael Habringer und Joachim Wernhart.
Die Fahrt nach Ottensheim zahlt sich auf jeden Fall aus.
http://buehne.ottensheim.at/
Weitere Vorstellungen:
Mi. 31. August, 20:00 Uhr
Do. 1. September, 20:00 Uhr
Fr. 2. September, 20:00 Uhr
Do. 8. September, 20:00 Uhr
Fr. 9. September, 20:00 Uhr
Sa. 10. September, 20:00 Uhr