In Schieflage

3. Oktober 2016 | Von | Kategorie: Rezensionen

kbp

Rezension von ……………………………. Christian Hanna

Der Kellerbühne Puchheim ist es zu danken, dass wieder einmal ein neuer interessanter Autor mit einem vielschichtigen Stück auf dem Spielplan auftaucht: der aus Florida stammende, aber sehr britisch wirkende Michael McKeever mit der Komödie 37 Ansichtskarten. Sabine Mospointner hat sich in diesen Text mit tragischem Hintergrund verliebt und mit klugen, sicheren Strichen eine kurzweilige Spielfassung erstellt. Ihre Personenführung und -charakterisierung konnten das begeisterte Publikum überzeugen, zumal auch eine ausgezeichnete Verständlichkeit gegeben war. Allein manche Piefkezismen der offensichtlich norddeutschen Übersetzung hätten sich mit geringen Veränderungen vermeiden lassen.
Das hübsche Eigenheim der Suttons steht schief, droht im Erdboden zu versinken, muss Avery, der Sohn des Hauses, nach achtjähriger Abwesenheit erschrocken feststellen. Und, noch beunruhigender, auch die Psyche seiner Mutter Evelyn ist in eine beträchtliche Schieflage geraten: die Großmutter, von deren Tod sie ihm geschrieben hatte, lebt noch, ebenso der verschwundene Hund Skippy, der halb verhungert Leute anfällt; sie verwechselt Gillian, Averys Verlobte, dauernd mit dem davongelaufenen Dienstmädchen und merkt sich keine Namen. Der Vater Stanford hat sich zum Nachtgolfer im eigenen Garten entwickelt und einen ausgestopften Elch im Schlafzimmer abgestellt. Ein wenig exzentrisch also, außer Tante Ester, die fröhlich und ausgeglichen ihrer Passion, dem (nächtlichen!) Kochen, nachgeht, dabei auch ganz gern mit verschieden Männern ausführlich telefoniert – nur ein kleiner Nebenverdienst. Ist es da ein Wunder, dass Gillian beinahe entnervt w.o. gibt?
Maria Lehner ist eine köstliche Großmutter, direkt und grob, verschmitzt und hintergründig.
Eva Löschs Tante Ester kommt gnadenlos positiv daher, ein naiver Kümmerer-Typ bis zum Telefonsex. Uwe Marschner gibt einen ambivalenten Stanford, jovial, unverbindlich nett, der die Tragik seines nahenden Todes mit Unverbindlichkeit zu überdecken sucht. Katrin Deisenhammer als Verlobte Gillian suchte nur einen zahlungskräftigen Versorger und entdeckt schlussendlich zu ihrer eigenen Überraschung, dass da doch mehr ist. Andreas Hufnagl als Avery, freundlich, umgänglich und etwas stoisch, gibt einerseits den besorgten Sohn, so richtig Schwiegermutters Liebling; andererseits hat er sich, aus traurigem Anlass, ganze acht Jahre nicht blicken lassen, bereiste die Welt, meldete sich kaum, schrieb nicht eine einzige Ansichtskarte. Gar nicht zu reden von den 37, die Evelyn behauptet, von ihm bekommen zu haben. Ilse Seufer-Wasserthal zeigt in dieser Rolle eine wahre Glanzleistung an Vielschichtigkeit, lässt dabei letztendlich vieles offen: ist sie eine Meisterin der Realitätsverdrängung, ist ihre Wahrnehmung gestört, leidet sie an beginnender Demenz? Bei aller Schrägheit sind diese Typen Charaktere, die mit ihrem Schicksal berühren und es mit einer natürlicheren Sprechweise noch mehr tun würden – doch dieser kleine Mangel ist wohl nur der Premierennervosität anzulasten.
Ganze Arbeit hat auch das Bühnenteam geleistet: mit den schief stehenden Wänden, den schräg hängenden Bildern und Vorhängen sowie der geisternden Schublade wird die nahende Katastrophe noch glaubhafter. Also, kurz gesagt, rundum sehenswert!

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http://www.ooe-theaterverband.com/?event=37-ansichtskarten-in-der-kellerbuehne-puchheim-3

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03.11.2016 Do 19:30
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06.11.2013 So 18:00 
08.11.2016 Di 19:30 
12.11.2016 Sa 19:30

Kellerbühne, Unterbau der Basilika Puchheim, Gmundner Str. 3
Karten: www.kbp.at oder 0680 118 21 30, Mo – Fr 16 – 18 Uhr

Obfrau Claudia Sommer, c/o KBP, 4800 Attnang-Puchheim, Gmundner Straße 3

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