Mieselbach ist überall

5. Februar 2017 | Von | Kategorie: Rezensionen

Jakob

Rezension von ……………………………… Christian Hanna

Die Spezialisten für deutsches Unterhaltungstheater von der vorletzten Jahrhundertwende bis in die 20er Jahre, die Tassilo Bühne Bad Hall, haben im dortigen Stadttheater am Sylvesterabend ihre diesjährige Produktion zur Premiere gebracht: Der wahre Jakob, einen dreiaktigen Schwank von Franz Arnold und Ernst Bach.

Der Präsident des „Vereins zur Aufrichtung gefallener Mädchen“ und Mieselbacher Stadtrat Strobl hat beim Besuch des „Keuschheitskongresses“ in Wien natürlich besseres zu tun, als diesen tatsächlich zu besuchen. Er verfällt vielmehr der Varietètänzerin Yvette und ihrer Darstellung der Libelle. Dass Yvette allerdings die Tochter seiner zweiten Frau ist, die diese ihm wegen des „anrüchigen“ Berufs verheimlicht hat, will Strobl bis zuletzt, als Yvette in Mieselbach auftaucht und für Verwirrung sorgt, nicht glauben. Doch wenigstens kann er sich letztendlich vom Diktat seiner bigotten Schwägerin befreien und seinen „wahren Jakob“, sein wirkliches Ich, zeigen.

Seine Inszenierung siedelte Regisseur Felix Hafergut etwa in der Entstehungszeit des Stücks an, leitete seine Schauspieler ohne Brüche und Schnörkel im Vertrauen auf die Qualität des Texts. Sich selbst teilte er die Rolle des charmanten Grafen Birkstedt zu, Vorstand des Sittlichkeitsvereins, der mit seiner Doppelmoral – auch er ein glühender Verehrer von Yvette – so gar keine Probleme hat. Er hat deshalb Verständnis für seinen dummverliebten Neffen Freddy (Daniel Reiter), wegen dem Strobls Tochter Lotte (Viktoria Rauchenberger als süßes Mädl) vom Internat geflogen ist. Ingrid Mager zeigt Luise Strobl als brave Hausfrau in Gewissensnöten, Christine Mitterweissacher ihre Tochter Yvette als zwar elegante, aber im Grunde biedere und lebenspraktische Revuetänzerin, die ihren hartnäckigen Verehrer James (Florian Baier) wegen seiner Ausdauer erhört. Als Heinrich Buxbaum, Freund Strobls, hat Bernhard Ruf wieder einmal Gelegenheit, sein enormes Talent für perfekt getimte Komik mit Unschuldsblick und Unbeholfenheit zu zeigen. Ingrid Latschenberger-Ehrig, mit Rollennamen Biedermann, gibt die steife, unnachgiebige Moralhüterin, unter deren Fuchtel die ganze Familie leidet. Peter Strobl ist bei der komischen Kraft Hans Scheidleders, des Publikumslieblings von Bad Hall, und seinem Ausbruch aus der Scheinheiligkeit bestens aufgehoben. Wirklich erstaunlich, wie sehr eine bald 100 Jahre alte Boulevardkomödie auch heutiges moralheuchlerisches Geschwafel bloßstellen kann!

 

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