Glanzvolle Burgfestspiele
2. August 2022 | Von Hermine Touschek | Kategorie: RezensionenRezension von ………………………………….Christian Hanna
Die Pandemie hat die Burgfestspiele Reichenau mit diesem Sommer von ungeraden auf gerade Jahre verlegt – sonst aber hat sich nichts Wesentliches verändert. Das wunderbare Ambiente der Burgruine bezaubert nach wie vor, das gute Angebot des Buffets lädt wie stets zu längerem Verweilen ein, und der Hauptzweck des Besuchs, die Theaterproduktionen, faszinieren und bezaubern wie eh und je.
Die Hauptproduktion ist, in Zeiten verschiedener Krisen, der Bewältigung einer solchen durch Zivilcourage und Privatinitiative gewidmet – und dem staatliche Abwürgen dieses spannenden Freiwirtschaftsexperiments. Das Wunder von Wörgl wurde der Versuch genannt, dem Tiroler Ort in Zeiten der Weltwirtschaftskrise mit Kreislaufwirtschaft, die die Wertschöpfung mit Hilfe von Arbeitswertscheinen, einem Freigeld, zu ökonomischem Aufschwung zu verhelfen; so lautet auch der Titel des Stücks in der Fassung von Nici Neiss.
Regisseurin Doris Harder hat mit Hilfe toller Darsteller und flexibler Musiker, teils Mitglieder der Musikkapelle Reichenau, eine berührende wie packende Inszenierung in den Burghof gestellt. Oft erzielen kleine Kniffe große Wirkung, wenn etwa aus Mitgliedern der österreichischen Bundespolitik (die für diese kurze Szene extra zu besetzen zu aufwändig gewesen wäre) mittels eines Lichtwechsels unmissverständlich wieder die Wörgler Lokalpolitiker werden. Weiters schafft sie es, trotz großer Besetzung jedweden Kuddelmuddel zu verhindern.
Christian Kudler verkörperte überzeugend die Rolle des gebildeten Lokführers und Bürgermeisters Unterguggenberger, Elisabeth Stelzer zeigte seine Rosa einfühlsam, verständnisvoll und selbstbewusst. Joschi Auer gab den Juristen und Apotheker Dr. Stawa erst skeptisch, dann ganz hinter der Sache stehend. Gerhard Kössler war der für das Experiment offene Pfarrer, Wolfgang Mayrhofer der enttäuschte Altbürgermeister, Jonas Maurer ein frustrierter gekündigter Arbeiter, Josef Mandl der diensteifrige Gemeindesekretär, Christoph Lackinger der Raiffeisenfilialleiter. Sabine Cap ließ als humane Wirtin anschreiben, Alina Hinterhölzl, Charlotte Jenner und Joachim Wernhart komplettierten die Wirtsfamilie. Barbara Sturm und Simon Seher verkörperten die unvermeidlichen illegalen Nazis im Ort, die das Experiment boykottierten, nur auf ihren Messias warteten und gegen die loyale jüdische Sekretärin des Bürgermeisters, dargestellt von Victoria Obermair, hetzten.
Besonders interessant war die außergewöhnliche Metaebene des Stücks, in der manche Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen kommentiert wurden. Simon Seher gab das naive Sparschwein, Carmen Watzinger den gewieften Kredithai – also quasi der G’scheite und der Blöde. Weiters war Watzinger als Schutzengel im Einsatz und konnte auch als Chansonniere brillieren.
Für Kinder und ihre Begleitung gab es auch heuer wieder einen Klassiker – Heidi nach dem Roman von Johanna Spyri in einer Bearbeitung von Jan Bodinus und Andrea Schnitt, die auch inszenierte. Mit Leichtigkeit und kindgerechtem Humor wurden die wesentlichen Stationen der Geschichte erzählt, die Darsteller:innen setzten die Intentionen der Regie offenbar adäquat um: Barbara Jenner als nervige Tante Dete, Klaus Pumberger als gütig grantelnder Alm-Öhi, Lukas Rabeder als fröhlicher Peter und Barbara Jenner als Babsi, Fabian Friedrich und Kelvin Addai als quirlig-komische Diener des sympathischen Herrn Sesemann (in Person von Helmut Springer), Margit Söllradl als wunderbar geziertes Fräulein Rottenmair, Gerhard Wahl als oberg’scheiter Hauslehrer, Nadine Moser als schicksalsergebene Klara – und vor allem Joy Pia Mader als lebhafte, enorm präsente Heidi!
Noch zu sehen:
Das Wunder von Wörgl
4.8; 5.8.; 6.8.; jeweils um 2030
Heidi
3.8. um 19 Uhr
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