Hinter der Maske der Wienerwaldseeligkeit …………
3. August 2013 | Von Hermine Touschek | Kategorie: RezensionenRezension von ……………………. Hermine Touschek
…………. lauern die Abgründe er menschlichen Existenz.
Ödön von Horváths Volksstück „Geschichten aus dem Wiener Wald“ wurde 1931 in Berlin uraufgeführt. Gerhard Koller bringt anlässlich der Burgfestspiele Reichenau 2013 das Klischee von Wien und seinen Protagonisten in den Burghof.
Die junge Marianne (Birgit Punzenberger) soll auf Drängen ihres Vaters (Rudi Graf) den Fleischer Oskar (Franz Lehner) heiraten, bei dem sie einmal ein sicheres Auskommen haben wird. Marianne verliebt sich aber in den charmanten Spielertypen Alfred (Christian Kudler) und lässt die Verlobung platzen, worauf sie von ihrem Vater verstoßen wird. Mit einem unehelichen Kind beginnt für Marianne der unaufhaltsame Abstieg.
„Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit“, hatte Horváth als Motto seinem Stück vorangestellt.
Die Kleinbürger, um die es in „Geschichten aus dem Wiener Wald“ geht, kommunizieren vor allem durch einen sog. „Bildungsjargon“ miteinander – ein „angelerntes“ Hochdeutsch, hinter dem Reste des Dialektes hörbar sind. Durch den Zwiespalt zwischen dem zu Sagenden und dem von den Figuren tatsächlich Gesagtem entsteht eine unfreiwillige Komik.
Es sind ausgesuchte Themen, die Horváth vor dem Hintergrund der Zwischenkriegsgesellschaft aufzeigt und dramaturgisch und sprachlich verarbeitet.
Die sozialen Missstände und Verhaltensdefizite der dargestellten Charaktere treten aber in jeder Epoche auf. Der Mensch als Gefühlskrüppel ist zeitlos.
Das Stück zeigt mit boshafter Genauigkeit ein Sittenbild kleinbürgerlicher Selbstgerechtigkeit mit stets präsenter Doppelmoral, in der die äußere Fassade nur ja nicht angetastet werden darf.
In Reichenau zeigt uns Oskar einen kläglichen, abgründigen, bedrohlichen Menschen, den wir keiner Frau zum Manne wünschen. Und dennoch, wird letztendlich Marianne „seiner Liebe nicht entgehen“. Alfred versteht es geschickt, die vielfältigen Facetten seines seelisch verkümmerten Charakters einzusetzen. Für ihn ist jede Beziehung ein Geschäft und Menschen sind austauschbar, solange sie seinem egoistischen Handeln dienen. Valerie, die alternde Trafikantin (Margit Söllradl) verdeckt die kargen Reste ihrer Würde unter einer dicken Schicht Ironie. Sie ist mal überdreht, mal boshaft, lüstern und liebenswert menschlich. Im Zusammenspiel mit ihr blühen die Charaktere auf. Die tragische Figur der Marianne kämpft bewundernswert um Selbstverwirklichung. Das Publikum bangt mit ihr hoffnungsfroh um ihr Glück und leidet mit ihr unter den seelischen Grausamkeiten, denen sie ausgesetzt ist.
Ein Stück Weltliteratur, das ein großartiges Ensemble unter bewährter Regie in Reichenau auf die Bühne der Ruine bringt.
Weitere Vorstellungen am: 3., 8., 9. Und 10. August jeweils um 20.30.
Nähere Informationen unter www. burgfestspiele.at
Oskar – Franz Lehner
Marianne – Birgit Punzenberger |
Großmutter – Elisabeth Stelzer
Alfred – Christian Kudler |
Valerie – Margit Söllradl |