Darf man über Hitler lachen?

11. Oktober 2015 | Von | Kategorie: Rezensionen

Tabori

Rezension von …………………………. Hermine Touschek

ATW – Austria Theater Werke – hatten mit der Groteske „Mein Kampf“, des ungarisch-jüdischen Schriftstellers, Regisseurs und Theaterautors George Tabori, am 10. Oktober im Theater Maestro Premiere. Martin Tröbinger inszenierte die Hitler Satire, in der als zentrales Element das Holocaust-Thema steht – wie in allen Theaterstücken von Tabori. Ein Großteil seiner Familie wurde von den Deutschen ermordet. Für Tabori ist der Witz die „ perfekteste literarische Form“. In mein „Mein Kampf“ versieht Tabori Schlomo Herzl mit einer jüdischen Identität, die sich auch durch den spezifisch jüdischen Humor auszeichnet.

In einem Männerwohnheim in Wien wohnt der alte Jude Schlomo Herzl (Johannes Renoldner), verkauft nachts Bücher und schreibt an seinem Lebensroman, den er „Mein Kampf“ nennen möchte. Eines Tages – um das Jahr 1910 – steht der junge Adolf Hitler (Johannes Minichmair) mitten im Zimmer. Er möchte sich, mit seiner Zeichenmappe unter dem Arm, an der Akademie der bildenden Künste bewerben. Der gutmütige Schlomo nimmt sich väterlich des weltfremden Provinzlers ohne Manieren an, obwohl dieser aus seinen antisemitischen Ansichten kein Hehl macht („Die Juden und die Radfahrer sind an allem schuld“). Als Hitler mit seiner Bewerbung an der Akademie scheitert, rät Herzl ihm, in die Politik zu gehen.

Johannes Minichmair als Hitler verleiht der Figur etwas Jämmerliches, das im nächsten Augenblick bedrohlich wirkt. Er verkörpert Hitler als komischen, unsympathischen Charakter mit irrem, manischen Blick, aber keineswegs dämonisch. Eine wunderbare Kombination aus Arroganz, psychischer und physischer Verklemmung.
Johannes Renoldner ist der warmherzige, überzeugend liebende Herzl, der – Ironie des Schicksals – zum Geburtshelfer des Bösen wird. Etwas verschroben, aber sensibel und bewegend gütig, verkörpert er den Juden, so wie Tabori ihn sich gewünscht hätte. Ironisch-verschmitzt folgen die brillanten Wortkaskaden Taboris auf die wüsten Reden Hitlers.
Großartige schauspielerische Leistung der beiden Hauptdarsteller.
Irene Gruber ist Gretchen – eine naiv-erotische Kindfrau – die einmal wöchentlich mit Ihrem Besuch bei Herzl ein kleines Quentchen Glück bringt. Selbst sie erliegt Hitlers Magie und wird zum BDM-Mädchen.
Frau Tod (Karin Huemer-Klinger) – überlegen und undurchschaubar – nimmt Hitler schließlich mit. Aber nicht als Leiche, denn in dieser Rolle sei er nur mittelmäßig, aber als Täter – als einer ihrer größten Gehilfen – darin sei er ein Naturtalent.

Mein Kampf bietet der Regie weder in den Figuren, noch in der Geschichte wirklich größere Freiheiten. Martin Tröbinger versteht es, den schmalen Grat zwischen Lachen und Grauen auszubalancieren. Er findet eine gute Mischung aus Tragik und Komik. Das Groteske wird nicht übertrieben und wirkt deshalb umso bitterer.

Tabori selbst sagte: „Irgendwann in diesen Stücken hört der Scherz auf. Ich glaube, wenn ein Witz oder das Komödiantische nicht als Inhalt etwas Todernstes hat, dann funktioniert er nicht für mich.“
Schlomo Herzls Satz am Ende, fasst das ganze Stück mehr oder weniger zusammen: „Ich war zu dumm zu erkennen, dass manche Menschen Liebe nicht ertragen können.“

Absolut sehenswert und das noch zu folgenden Terminen:
15., 16., 22., 23. u. 24. Oktober jeweils 20 Uhr Im Linzer Theater Maestro
http://www.atw-theater.at/

 

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