Astutuli – eine Farce der Leichtgläubigkeit
16. Januar 2017 | Von Hermine Touschek | Kategorie: RezensionenRezension von ………………………… Hermine Touschek
Alle zwei Jahre zeigt die Kulturinitiative Spielraum Gaspoltshofen eine Eigenproduktion. Ottilie Klinger wählte 2017 das Stück „Astutuli“ von Carl Orff, das am 31. Dezember 2016 Premiere hatte.
Was Carl Orffs Astutuli nicht ist, lässt sich am einfachsten ausdrücken: eine Oper. Mit Astutuli versuchte sich Orff als Autor eines Sprechtheaterstücks, das in den Jahren 1947 bis 1949 entstanden ist. 1953 fand die Uraufführung in den Münchner Kammerspielen statt.
Zuerst gilt es, den lateinischen Titel zu übersetzen: Astutuli – das sind die Schlauberger, „die Oberg´scheiten“. Orff wählte eine Sprache, die vom Szenischen, vom Gestischen, vom Mimischen geprägt ist. Astutuli ist ein Stück für Schauspieler, das vom rhythmischen Sprechen bestimmt wird. Das Schlagwerkinstrumentarium begleitet und untermalt das gesprochene oder rhythmisch skandierte Wort.
Ein Gaukler = „Gagler“ (Christian Selinger) kommt in ein Dorf und kündigt eine Theatervorführung mit Wundern an, die nur die Dummen nicht sehen können. Tatsächlich jedoch handelt es sich um nichts als Betrügerei. Da die Dorfbewohner nicht zugeben wollen, nichts zu sehen – denn wer gibt schon gerne zu, dass er dumm ist? – sehen sie die heraufbeschworenen Geschöpfe – einen Riesen und ein Erdmandl – und glauben schließlich auch an das kokanische Land, das ein Leben im Luxus verspricht. Um dorthin zu gelangen, so versichert der Gaukler, benötige man jedoch ein besonderes Gewand, das er natürlich verspricht. Die Bürger – allen voran der Bürgermeister – entledigen sich ihrer Kleider und werden bestohlen. In ihrer Not wenden sie sich an das Publikum, das doch die ganze Zeit über die Figuren und ihre Dummheit gelacht hat. Hinschauen und nicht Eingreifen, diese passive Haltung wird dem Zuschauer nun vorgehalten.
Carl Orffs Astutuli – eine Parabel über die Verführbarkeit der Massen – entstand unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges und ist aktueller den je. Dahinter steht, unbemerkt bis zuletzt, Betrug. Menschen werden durch Lügen in den Medien manipuliert, geblendet und mit Worten entzückt. Social Media-Anwendungen wie Facebook, Twitter & Co verändern Kommunikation und Information – und damit die gesellschaftliche Willensbildung. Wie schnell die Meinungen beeinflusst werden, spüren wir heute tagtäglich.
Ottilie Klinger musste die Mitwirkenden auch erst von diesem Stück überzeugen. Je mehr darüber diskutiert wurde, desto größer wurde die Begeisterung. Und das Ergebnis überzeugte auch das Publikum von der richtigen Stückauswahl.
Christian Selinger ist ein überzeugender Blender, der mit teuflischen Zügen die Bewohner des Dorfes verführt und seinen Erfolg sichtlich genießt. Die Dorfbewohner zeigen mit vollem Einsatz was es heißt, geblendet zu werden. Die bewegten Gruppenszenen und der Sprechgesang wirken bis in die letzte Reihe.
Das Schlagwerkensemble wurde von Peter Favretti – einem Schlagwerklehrer der Landesmusikschule Attang-Puchheim – geführt.
Ein nicht alltägliches Stück, meisterlich umgesetzt. Wir freuen uns schon auf die nächste Produktion der Kulturinitiative Spielraum Gaspoltshofen.