Seltsamer Leserbrief
20. Januar 2021 | Von Hermine Touschek | Kategorie: LeitartikelBeitrag von ……………………………………….. Sepp Mostbauer
Es kommt nicht oft vor, dass wir von der blick.punkt-Redaktion Leserbriefe erhalten. Diesmal allerdings fanden wir, per Post zugestellt (seltsam genug!), ein Schreiben von einem Prominenten vor, das wir unserer Leserschaft nicht vorenthalten wollen. Wir bringen ihn hier in ungekürzter Fassung.
Sehr geehrte blick.punkt-Redaktion!
In der letzten Ausgabe Ihres Blattes haben Sie dankenswerterweise ein Interview mit mir unter dem Titel „Sieg für den Virus Theatralis!“ abgedruckt. Einerseits bin ich Ihnen natürlich zu Dank verpflichtet, bin ich doch durchaus an Publicity interessiert, ja ich stehe nicht an, mich selbst als Rampensau zu titulieren. Andererseits möchte ich hier etwas klarstellen, was im damaligen Gespräch mit Sepp Mostbauer nicht deutlich wurde, nämlich meine höchstpersönliche Affinität zum Theater. Sie wundern sich? Dann folgen Sie bitte meiner Argumentation, und Sie werden zweifelsohne mehr Verständnis als bisher für mich aufbringen.
Derzeit ist viel von meinen Mutationen die Rede, eine wunderbare Eigenschaft mit vielen Vorteilen (ich gebe zu, es gibt auch einige Nachteile), denn das heißt doch schließlich nichts anderes als die Fähigkeit zu Flexibilität, Wandlungsfähigkeit, das Talent, in andere Rollen zu schlüpfen (und dabei immer derselbe zu bleiben). Deshalb – Sie werden es vielleicht nicht glauben – liebe ich das Theater. Die ganze Welt ist meine Bühne, was will man mehr? So viel ungeteilte Aufmerksamkeit wie im derzeit weltweit stattfindenden Schauspiel, in dem ich Spieler, Dramaturg und Regisseur in einer Person sein kann, ist eine wahre Seltenheit. Freilich hält sich der Applaus in Grenzen, aber Respekt, Hochachtung vor meinem Können wiegt diesen Mangel leicht auf. Und dass seit meinem ersten Auftritt die Maskierung populär geworden ist, belegt wiederum meine Nähe zur Bühnenkunst. Detto die wundersamen Kostüme in Spitälern und Pflegeheimen.
Werten Sie es bitte nicht als Überheblichkeit, wenn Sie aus meinen Zeilen so etwas wie, wie ich meine: berechtigten Stolz herauslesen. Sie werden mir sicher auch zustimmen, wenn ich eine gewisse Begabung für Dramaturgie und Regie für mich reklamiere. Meinen Hang zum Zirkus und zum absurden Theater kann ich übrigens wunderbar mit dem köstlichen Karneval der Verschwörungsmenschen zur Schau stellen.
Am Schluss des erwähnten Interviews wünscht sich Sepp Mostbauer, dass ich ihm (er meint wohl dem Theater im Allgemeinen) fernbleiben möge. Dieser Bitte kann und will ich aus oben genannten Gründen nicht entsprechen. Nehmen Sie es mir daher nicht übel, wenn ich Ihnen weiterhin Gesellschaft leisten werde. Impfung hin, Impfung her. Ich freue mich trotzdem auf weitere Begegnungen mit Ihnen und dem Theater.
Mit ansteckenden Grüßen
Ihr COVID