Der Ritt zum Bodensee
31. März 2015 | Von Hermine Touschek | Kategorie: LeitartikelBericht von …………………………………… Bernhard Paumann
Nun ja, zugegeben, ein richtiger Ritt war es nicht, sondern eine gemütliche Busfahrt, die 27 Theaterbegeisterte – Vorstandsmitglieder, Theaterenthusiasten und theateraffine Gäste aus Wien – nach Friedrichshafen zu den 31. Theatertagen am See vom 27. bis 29. März lockte, vorbildlich organisiert und betreut durch unseren Chefredakteur Sepp Mostbauer. Und was gab es da nicht an interessanten Produktionen zu sehen.
Der freie Freitagvormittag führte uns in das berühmte Zeppelinmuseum, wo ein enthusiasmierter Führer uns in die Geheimnisse der Luftschifferei einführte und die „Hindenburg“ (oder die geretteten Reste) seine eigentliche Wohnung sei. Der Abend startete – ohne große Eröffnungszeremonie – mit einem starken Stück, „Der Krüppel von Inishmaan“ (von Martin McDonagh) der Gruppe aus Lörrach, der anfängliche Schwung verflog allmählich und es beschlich einen die Frage: Warum wurde da nicht gekürzt? Das Stück „My Soufiya“ der iranischen Gruppe zeigte stark die Problematik von Texttheater in einer Sprache, die keiner versteht. Wolfgang Mettenberger als Regisseur von Jura Soyfers „Weltuntergang“ setzte stark auf Wirkung, fein gezeichnete Charaktere und ein einfaches, wirkmächtiges Bühnenkonzept, aber auch hier hätte der eine oder andere Strich gut getan.
Die frühlingshafte Bläue und lenzmilde Temperatur zogen einige über den See zu einem Besuch in der Konzilsstadt Konstanz. Der harte Kern der Theaterer gab sich schon in der Bodensee-Schule in vormittäglicher Frühe die Produktion „Jaques der Fatalist und sein Herr“ (nach Denis Diderot) der Heidelberger Gruppe „Die Aussenspiegel“. Beeindruckend die Umsetzung des 300 Jahre alten Stoffs, doch so richtig anrühren konnte das Stück nicht, die vorgesehene Umkehrung des Diener-Herr-Verhältnisses war nicht erschaubar. Ein Highlight bot die Zürcher Gruppe „PONYS“ mit Peter Bichsels Kurzgeschichte „Ein Tisch ist ein Tisch“, aufgepeppt durch eigene Erfahrungen und Elementen des Bewegungstheaters (Regie: Kira von Eijsden). Jugendtheater in Spitzenqualität. Vielleicht schmückt diese Produktion nächstes Jahr unser Int. Jugendtheaterfestival in Kremsmünster.
Für mich den Höhepunkt der Theatertage – sie waren auch Gewinner des Theaterwettbewerbs (mit in der Jury unsere Hermine Touschek) – stellte die Spielgemeinschaft Vintl-Weitental aus Südtirol mit ihrer Produktion „Wege mit Dir“ (Regie: Gerd Weigel). Der anfängliche schnoddrige, arrogant-ironische Ton, den ein älteres Semester, Kasper, in seiner Liebesbeziehung zu Anna anschlägt, wandelt sich in völlige Sprach- und Bewegungslosigkeit eines Dementen.
Da die österreichische Produktion der Suchy-Truppe „A Draamerei“ wegen Krankheit einer Spielerin ausfiel, sprang eine polnische Gruppe mit Schwarzem Theater ein. Die Faszination dieses Genres blieb in den sicher beeindruckenden Techniken stecken, es entwickelte sich keine Geschichte – die allzu laute Musik störte obendrein. Dario Fos „Offene Zweierbeziehung“ der Theatergruppe Spielbrett aus Dresden (Regie: Ulrich Schwarz) bestach durch gewohnte Präzision in Spielführung und Charakterzeichnung.
Am Sonntag ging es – noch dazu nach der Zeitumstellung – schon um 9 Uhr früh los. Doch das machte sich bezahlt. Zuerst die Ulmer Gruppe Teatro International, ein bunter Haufen im wahrsten Sinne des Wortes, weil nämlich Deutschkurs-Teilnehmer der VHS und aus aller Herren Länder. Die Collage „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ zeigte die eigenen Erfahrungen als Migranten einmal ernst, einmal komisch. Im Gedächtnis haften bleibt die resolute Argentinierin, die als Putzfrau immer wieder Platz für die Auftritte der Akteure im gesamten Saal schuf. Gute Idee, einen Raum auf diese Weise zu bespielen.
Das junge Ensemble des spinaTheaters aus Solingen setzte mit „Brandmale“ beeindruckende Momente zerstörerischer Mechanismen aus Angst, Hass und Verletzung. Mit einer fast selbstzerstörerischen Körperlichkeit und Intensität wurde die Eigenproduktion auf eine bald zerrissene, zerfetzte, bekleckste Bühne gesetzt und hinterließ in den Zuschauern auch nachdenkliche Brandmale.
Dass es auf der Heimfahrt regnete, machte den Abschied leichter, doch denke ich, dass so manche, die im Bus selig entschlummerten, wahrscheinlich die interessanten Produktionen aufgearbeitet haben. Diese Idee, gemeinsam ein Festival als Zuschauer zu besuchen, sollte zu einer Institution werden. Danke, dass es heuer gelungen ist.