So kahl war die Sängerin gar nicht
10. März 2017 | Von Hermine Touschek | Kategorie: RezensionenRezension von …………………………… Bernhard Paumann
Dass sich im Amateurtheaterbereich ein Paradestück des Absurden Theaters auf den Programmzettel verirrt, ist selten. Umso mehr Mut gehört dazu, wider den Stachel des Boulevards und publikumsgeschmäcklerischer Stücke zu löcken und mit vollem Engagement das Experiment zu wagen. Und das haben die jungen Leute des Theaters Vogelweide in Wels (theata BLABLA) mit Bravour getan und Ionescos „Die kahle Sängerin“ auf die Bühne des Dachbodens gesetzt.
Das Absurde Theater hat sich als Reaktion auf eine sinnentleerte Welt entwickelt, in der der Mensch sich den Sinn seiner Existenz selbst geben muss. Es strebt nach einer Abwertung der Sprache, dennoch ist Sprache wichtig, allerdings widerspricht oft die Sprache dem Geschehen auf der Bühne, die Akteure reden aneinander vorbei, ihre Worte werden nicht verstanden, gehen ins Leere. Es ist ein ständiger Kampf mit dem Publikum, das sich die Frage nach dem Sinn stellt. Es geht aber nicht allein um den Sinn, sondern um ein Gefühl, einen Denkanstoß, um ein „Sich-auf-etwas-Einlassen“. Und das ist der jungen Truppe um den Jungregisseur Simon Salzinger durchaus gelungen.
Das Kammerspiel um das Ehepaar Smith (Laurenz Neudorfer und Judith Weber – beide „very british“ und verhalten angelegt, hölzern wie ein Beefeater) und die eingeladene Familie Martin (Fabian Sperl mit ausdrucksvollem Minenspiel und Bettina Grünwald mit zurückhaltendem Charme) – sie werden von einem Anekdoten erzählenden Feuerwehrhauptmann (Bastian Zimmerberger an der Grenze zu überkippendem Wahnsinn) heimgesucht – hätte noch um eine Nuance mehr sprachliche Präzision erfordert, was aber wegen der Absurdität des Textes als großartige Leistung anerkannt werden muss. Das Zimmermädchen Mary (Stella Ablinger) hätte sich etwas mehr Exaltiertheit verdient. Die abschließende Wortraserei und der neuerliche Beginn mit vertauschten Rollen waren nicht zwingend nötig, haben aber durchaus ihre Berechtigung.
Chapeau, Respekt, Hut ab vor dieser schauspielerischen Leistung, die ob der abstrusen Einfälle für köstliche Unterhaltung sorgte. Dass die Jungmimen auch ihren Spaß dabei hatten, konnte dem Publikum glaubhaft vermittelt werden