Dogville – ein Lehrstück über die menschliche Niedertracht

16. Juli 2024 | Von | Kategorie: Rezensionen

Rezension und Foto …………….. Hermine Touschek

Dogville ist ein „Rape-and-Revenge-Film“ aus dem Jahr 2003 – von Lars von Trier in minimalistischer Dekoration gedreht. Die Bühnenfassung stammt von Christian Lollike (Österreich-Premiere im Wiener Volkstheater 2006).

Anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums der Grenzlandbühne Leopoldschlag wurde dieses Stück auf den Spielplan der „Sommertheatertage 2024“ gesetzt – ein „absolutes Herzensprojekt“ der Theatergruppe. Premiere war am 13. Juli – Regie führte – wie schon bei vielen Produktionen in den Vorjahren – Daniel Pascal.

Auf der Flucht vor Gangstern strandet Grace in einem abgelegenen Bergdorf am Fuße der Rocky Mountains. Tom, der sich als Schriftsteller und Missionar sieht, überredet die Leute von Dogville, der Fremden Schutz zu gewähren. Zum Dank beginnt Grace kleinere Arbeiten zu verrichten. Durch ihre fürsorgliche Zuwendung und Güte verändern sich die Menschen zunächst zum Guten.
Als die Polizei auftaucht und steckbrieflich nach Grace sucht, beginnt die Stimmung zu kippen. Grace wird von jedem schikaniert und ausgebeutet, von den Männern vergewaltigt und den eifersüchtigen Frauen geschlagen. Sie wird zum Objekt von Bosheit, Macht und Gewalt.

Keine leichte Kost, die das Publikum hier an einem lauen Sommerabend präsentiert bekommt. Lars von Trier gilt als das das „Enfant terrible“ des Filmbusiness und nahm für Dogville das epische Theater von Bert Brecht als Grundlage (das Lied der Seeräuber-Jenny aus der Dreigroschenoper). Es geht um Themen wie, Schuld und Sühne, Macht und Eigennutz, das Individuum und die Gruppe, wie wir sie auch aus „Der Besuch der alten Dame“ von Dürrenmatt kennen. In der Banalität des Kleinstadtlebens spiegelt sich das ganze Leben. Die Drehbühne in Leopoldschlag veranschaulicht, dass sich bei den Einwohnern von Dogville alles nur um sich selbst dreht.

Der Erzähler aus dem Off (Daniel Pascal) stellt mit seiner sanften, wohlklingenden Stimme einen gewollten Kontrast zum Geschehen auf der Bühne dar. In 9 Kapiteln beschreibt er ironisch die Szenen sowie die Gedanken und Gefühle der Stadtbewohner.

Der Film Dogville dauert 3 Stunden und das Theaterstück (trotz Kürzung) verlangt dem Publikum und den SchauspielerInnen psychisch und physisch einiges ab.

Patrick Paukner als der augenscheinliche Gutmensch Tom ist auf der Suche nach der Wahrheit und möchte die Menschen besser machen. Er wechselt gekonnt zwischen Philosoph, Liebessucher und fiesem Verräter. Die Zuschauer erkennen auch zu guter Letzt, dass er sich selbst belügt.
Spielerisch beeindruckend gibt Bernhard Jahn den polternden, immer schlecht gelaunten Obstbauer Chuck. Die Frustration über sein Leben findet in seiner sexuellen Brutalität gegenüber Grace ein schreckliches Ventil.
Martina Lanzersdorfer ist eine auf der ganzen Linie überzeugende, zerbrechliche Grace. Die Verständnisvolle, die Verzeihende, die Gute – und als Zuschauer wird man zunehmend wütender, dass sie alles widerspruchslos erträgt. Grace ist quasi die Christusfigur, die alles verzeiht und auch noch die andere Wange hinhält. Man könnte auch meinen, sie provoziert die Enthemmung der anderen dadurch, dass sie keine Grenzen zieht. Zu guter Letzt wird sie vom Opferlamm zur Rachegöttin.

Daniel Pascal ist eine fesselnde, bedrückende Inszenierung gelungen, die nachdenklich macht. Dogville als großes Lehrstück über Macht und Gnade, Leiden und Vergelten, Schuld und Sühne – ein Stück über die menschliche Verwerflichkeit. Als Publikum ist man auch dankbar, dass die Vergewaltigungen nur angedeutet werden. Es ist auch so eindringlich genug. Die Grenzlandbühne Leopoldschlag hat eine gute Ensembleleistung auf die Bühne gebracht, die von den ZuschauerInnen mit Standing Ovations honoriert wurde.

Noch zu sehen:
19., 20., 26., 27., 30. Juli jeweils um 19.30 Uhr
28. Juli um 15 Uhr
1., 2., 3. August jeweils um 19.30 Uhr

https://www.grenzlandbuehne.at/aktuell/

 

 

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